Vom Angsthund, der keiner ist

Nicht selten kommt es vor, dass in den Anmeldungen zum Erstgespräch Hunde als Angsthunde angekündigt werden. Ängstlichkeit oder Unsicherheit sind für mich nichts Negatives, da Hunde wie Menschen ihren Emotionen Ausdruck verleihen dürfen. Angst kann durchaus hilfreich sein kann, wenn sie uns z.B. in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt und wir schneller abhauen können. Oder nicht todesmutig Dummheiten machen.

Neulich war ein Hund zum Kennenlernen bei mir, der sich auch nach einer Stunde Spaziergang im fremden Wald und im Ort nicht ein einziges Mal unsicher oder gar ängstlich verhalten hat. In beiden Hundeschulen, die er vorher besucht hatte, wurde er als ängstlich eingestuft, in Watte gepackt (nicht erzogen) und isoliert (Kontakt nur mit anderen ängstlichen Hunden). Er hat also keinen Fels in der Brandung zur Seite gestellt bekommen, den er – wie jeder andere Hund auch – im ersten Lebensjahr so dringend gebraucht hätte, weder im Menschen- noch im Hundekostüm. Es war so weit gekommen, dass Frauchen – aus Angst vor der Angst – sich nicht mehr getraut hat, an ihre Ziele mit diesem Hund zu glauben, etwas zu erwarten.

Ihr könnt euch vorstellen, wie stabil Glaubenssätze sind. In den meisten Fällen sind diese Hunde Typen, die genetisch bedingt oder aus Erfahrung eher zurückhaltend sind. Wer also einen Urtypen mit einem Labrador oder Pudel vergleicht, der wird möglicherweise etwas wie Ängstlichkeit wahrnehmen, während der Hund durchaus selbstbewusst ist.

Einschätzungen, von Fachleuten getroffen, machen viel mit Mensch und Hund. Wenn dann noch die Menschen nicht kompetent gemacht werden, sondern sich und dem Hund nichts mehr zutrauen, dann wird es schnell traurig. Wenn ich es im Rahmen des Kennenlernens nicht schaffe, Glaubenssätze aufzuweichen und Mut zu machen, dem Hund mal etwas zuzumuten, bleiben die Menschen bei ihrer Meinung und die Hunde leider Angsthunde, die keine sind.