Die Kopfnoten

Zu meinem Job gehört es unter anderem, Mensch-Hund-Teams zu Hause zu besuchen. Grund ist meist, dass Klärungsbedarf auf der Beziehungsebene besteht, und zu Hause ein paar Veränderungen sinnvoll erscheinen, bzw. auch, die Familie ins Boot zu holen und für das Große Ganze zu sensibilisieren. Oft kommt die Hauptbezugsperson zum Training, während der Rest der Familie den Hund in anderen Lebenskontexten oder generell seltener erlebt.

Nicht selten werden die Hunde als gut erzogen wahrgenommen, und es stimmt auch, dass sie die Basissignale durchaus gut beherrschen und im großen und ganzen im Alltag recht positiv auffallen. Schwierigkeiten gibt es zum Beispiel bei Hundebegegnungen, Begrenzung, Besuch, am Gartenzaun, im Umgang mit Ressourcen, mit anderen Familienmitgliedern, etc. Also immer, wenn es für den Hund um etwas geht. Hier kommt man mit Sitz, Platz, Fuß, Pfötchen usw. nicht weiter. Es braucht ein Problembewusstsein, Willen und Ausdauer, an Konflikten zu arbeiten. Auch, und gerade wenn diese „nur“ 1, 2 mal täglich, zum Beispiel bei Hundebegegnungen auftreten, und der Hund sonst der Beste ist. Hier ist die ganze Familie gefragt, mit hinzuschauen und zu unterstützen.

Die Gespräche, die ich anlässlich der Hausbesuche führe, erinnern mich ganz oft an meine Schulzeit. Jeder erinnert sich an den ein oder anderen Klassenkameraden, der aufgrund seines rücksichtslosen Verhaltens nicht gerade beliebt war, aber von seinen Eltern hofiert wurde. Eine Eins in Mathe musste es sein, eine 4 im Sozialverhalten hingegen wurde wahlweise belächelt oder sogar für gut befunden, schließlich geht’s im Leben primär um Leistung und Erfolg. Ellenbogen raus!

Täglich haben wir es mit Menschen wie Hunden zu tun, bei denen es genau darum geht. Leistung, Erfolg, gutes Aussehen, Oberflächlichkeiten. Vielleicht war Hund auch gerade noch ein süßer Welpe, durfte überall hinmarschieren, auch mal etwas kaputtmachen, Menschen anspringen, Fahrräder jagen, nichts wurde ihm verübelt – sah doch niedlich aus. Dass versäumt wurde, ihnen zu helfen, sozialkompetent zu werden, erschwert ihnen soziale Beziehungen enorm. Es fällt schwer, sich in andere hineinzuversetzen, sich an Regeln zu halten und Grenzen anzuerkennen. Schnell klebt das Etikett „Distanzlos“ oder „Unhöflich“ auf der Stirn. Für den Hund kann das bedeuten, dass es schwierig wird, eine Betreuung, Hundefriseur, Spielkameraden oder ähnliches für ihn zu finden. Irgendwann kommt es entweder zur Isolation, Eskalation oder beidem.

Als Mensch kannst du irgendwann selbst entscheiden, ob du daran arbeiten möchtest, mit deinen Mitmenschen klarzukommen und authentische Beziehungen zu pflegen. Dein Hund braucht deine Unterstützung dabei. Hilfe bekommst du zum Beispiel in Hundeschulen – schau nach Erziehungsangeboten, bei denen soziales Lernen und gute Sozialkontakte im Vordergrund stehen – und gut geführten Hundetagesstätten.