Der Welpe von Frau Meyer klaut neuerdings Essen vom Fliesentisch. Frau Meyer ist unsicher, wie sie dem Problem begegnen soll. Sie fragt Frau Müller, ihre Nachbarin. Frau Müller hat schon seit 40 Jahren Hunde, sie wird schon wissen, wie man das Problem löst. Frau Müller rät Frau Meyer, ihren Welpen zu erschrecken, wenn sie ihn das nächste mal beim Klauen erwischt.
Frau Meyer fühlt sich mit dem Ratschlag von Frau Müller nicht wohl. Schließlich ist ihr Welpe gerade mal 15 Wochen alt, und sie möchte das Vertrauensverhältnis nicht stören. Dass das passiert, wenn man ihn erschrickt, hat sie bei Facebook gelesen. Sie liest noch in Welpenratgebern nach und entscheidet sich dafür, ihrem Welpen beizubringen, dass er nur auf Signal Essbares nehmen darf. In der Zeit, in der sie dies übt, kommt es immer wieder zu kleineren Pannen, wen jemand aus der Familie vergessen hat, sein Essen vom Fliesentisch zu räumen, oder mal kurz den Raum verlässt. Außerdem erweitert der Welpe, der inzwischen ein Junghund ist, seinen Wirkungsbereich Richtung Arbeitsplatte. Frau Meyer recherchiert weiter und entscheidet sich nun dafür, den Hund immer auf seine Decke zu schicken, wenn Essen im Spiel ist. Außerdem muss er immer Sitz machen, bevor er seine Mahlzeit bekommt, und die Ration wird erhöht, damit er garantiert immer satt ist.
Die nächsten Wochen verbringt Frau Meyer damit, den Hund immer wieder auf die Decke zu schicken. Trotzdem passiert es öfter, dass er Einkaufstüten und Müllkörbe plündert oder sich anderweitig Essen organisiert.
Frau Meyer weiß nicht mehr weiter und fragt beim nächsten Impftermin ihren Tierarzt, ob er eine Idee hat. Der Tierarzt erhebt ein paar Laborparameter, findet aber keinen Hinweis auf eine Erkrankung. Auf der Hundwiese trifft Frau Meyer Herrn Schmidt, der ihr erzählt, bei seinem Hund hätte eine Haaranalyse Hinweise auf einen Mangel ergeben, der dann von einer Heilpraktikerin mit Kräutern und Akkupunktur erfolgreich behandelt worden sei. Frau Meyer konsultiert eine Heilpraktikerin.
Mittlerweile ist der Hund von Frau Meyer erwachsen und klaut immer noch alles, was er kriegen kann. Einmal ist er fast gestorben, weil er eine Packung Kaugummis erwischt hat, deren Süßungsmittel für Hunde giftig sein können. Draußen trägt er inzwischen ein Fressnetz, kann damit kaum hecheln, sein Übergewicht tut ein übriges. Dass er an „Menschenessen“ nichts zu suchen hat, weiß er immer noch nicht. Frau Meyer resigniert. Sie habe alles versucht, nichts mit Erfolg.
Frau Klug hat einen jungen Hund aus dem Tierschutz adoptiert. Sein Hobby ist es, Pflanzen umzutopfen. Frau Klug sind ihre Pflanzen und Ordnung in Haus und Garten sehr wichtig. Als sie ihren Hund auf frischer Tat ertappt, spricht sie ohne nachzudenken einen deutlichen Platzverweis aus. Sie sieht, dass dies bei ihrem Hund ankommt. Ein wenig tut ihr leid, dass er kurz ängstlich reagiert, schließlich soll er ihr vertrauen. Sie sieht aber auch, dass er kurz darauf wieder fröhlich mit seinem Spielzeug durch den Garten rollt. Die Szene wiederholt sich in den nächsten Tagen noch 2, 3 mal, bis ihr Junghund keine Lust mehr auf sein Pflanz-Hobby hat. Frau Klug beweist, dass Hundeerziehung keine Raketenwissenschaft ist, wenn man auf sein Bauchgefühl hört.
Über Verhalten, Erziehung, etc. gibt es viel zu erfahren: Forschung, wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungswissen, das ist alles wichtig und wertvoll. Meine Beobachtung ist, dass sich gerade diejenigen, die gern von Anfang an „alles richtig machen“ wollen, gerne mal in der Informationswüste verlieren. Wer kennt es nicht: Hund verhält sich, und statt zureagieren, findet sich Mensch in einer stundenlangen Recherche wieder, wie man damit umgehen könnte. Verlässt man das Haus oder sucht Hilfe auf Social Media, wird die Verunsicherung noch größer. Menschen sind verdammt gut darin, anderen ungefragt ihren Senf zu geben. Das führt oft dazu, dass 100 Dinge halbherzig ausprobiert werden, was meist mehr schadet als nützt – die Verunsicherung auf beiden Seiten wird größer.
Hört mal wieder mehr auf eurer Bauchgefühl! Habt weniger Angst Fehler zu machen, das lähmt euch unnötig. Fehlermachen ist wichtig! Eure Hunde brauchen Sicherheit! Sie sind irritiert, wenn sie merken, dass ihr rumeiert. Das Ergebnis ist nicht selten, dass ihnen durch die fehlende direkte Anleitung der Rahmen fehlt, in dem sie sich bewegen sollen. Viele Hunde können damit nicht umgehen.
Wenn es Schwierigkeiten gibt, ihr euch eures Bauchgefühls nicht sicher seid, dann holt euch professionellen Rat, entscheidet euch für einen Weg, mit den Schwierigkeiten umzugehen, bleibt dran und schaut, was passiert. Euer Bauchgefühl wird euch melden, ob das, was ihr tut, das Richtige ist.