Aus dem Alltag einer Hundetrainerin

Bereit, die Perspektive zu wechseln? Heute möchte ich euch auf die Seite derjenigen mitnehmen, die ihre Jobs lieben und für euch und eure Hunde jeden Tag ihr Bestes geben: Trainer, Betreuer, Gassigeher, Friseure, Tierärzte und ihre Teams, Physios, Pfleger, etc. Wir machen das, weil wir eine bessere Hundewelt für alle gestalten, Miteinander, Verständnis und Rücksichtnahme fördern wollen. Wir sind darauf angewiesen, dass ihr uns als Partner wahrnehmt. Das heißt neben all dem Spaß auch, dass ihr uns vertraut und uns bei Schieflagen frühzeitig ins Boot holt, damit wir helfen können. Also z.B. mir als Trainerin nicht erst sagt, dass euer Hund schon lange beim Abtrocknen um sich beißt, wenn ihr im Sommer auf die plötzlich sichtbaren Bissverletzungen angesprochen werdet. Oder nicht erst 10 Wochen mit Youtubevideos an Problemverhalten rumdoktert, bevor ich davon erfahre. Auch kann niemand zaubern, Genetik aushebeln, Vorgeschichten auslöschen. Aus einem Spezialisten für Jagd oder Herdenschutz im Handumdrehen einen unkomplizierten Begleithund für alle Lebenslagen machen. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass einen manches an persönliche Grenzen bringt, nur: Eure Hunde habt ihr euch ausgesucht, niemand sonst.

Wir sind darauf angewiesen, dass ihr euch an Absprachen haltet. Das im Training Besprochene umsetzt, die gebuchten Dienstleistungen zahlt, auch wenn ihr sie mal nicht nutzen könnt, absagt, wenn ihr nicht (mehr) kommt, ehrlich und verbindlich mit uns seid. Seht, dass auch wir nur Menschen sind, die ab und an mal einen weniger guten Tag haben, etwas vergessen oder übersehen, mal Dinge tun, die euch nicht so gut gefallen. Wir stehen – bis auf wenige Ausnahmen – Gewehr bei Fuß. Bei jedem Wetter, abends, am Wochenende, in jeder Verfassung. Wir besuchen Fortbildungen, um up to date zu sein. Wir haben laufende Verpflichtungen. AGB haben wir, um uns abzusichern – nicht, um ständig darauf rumreiten zu müssen. Man kann mit uns über alles reden, aber wir können uns nicht leisten, immer nur entgegenkommend zu sein, auch wenn wir für vieles Verständnis haben. Schließlich sind wir auch oft Kunden.

Die meisten meiner Arbeitstage machen mich glücklich, ich bin dankbar, dass ich meiner Leidenschaft nachgehen kann. Aber: Nicht bei allem, was zu diesem vielseiteigen Job gehört, kann von Leidenschaft die Rede sein. Es gibt – wie in jedem anderen Job – Dinge, die mir nicht sonderlich liegen und mir wenig Freude machen. Von „Hobby zum Beruf gemacht“, wie man als Außenstehender vielleicht denken mag, kann keine Rede sein, auch wenn wir euch in eurer Freizeit begleiten und Hundebaden fantastisch ist. Was ihr von unserer Arbeit seht, sind die schönsten, buntesten Teile davon. Die Trainings mit euch, an verschiedenen Orten, mit unterschiedlichem Equipment, abwechslungsreiche Themen, Spiele, Spaß. Alles andere bleibt für euch unsichtbar, und das ist grundsätzlich auch richtig so. Nur resultieren z.B. auch die Preise aus vielen Kleinigkeiten, die unsichtbar sind.

In den letzten Tagen hat mich betroffen gemacht zu hören, wie engagierte Kollegen behandelt werden, und auch mir ergeht es manchmal so. Zum Beispiel passierte einer Kollegin neulich samstagmorgens bei strahlendem Sonnenschein, dass sie mit einer statt fünf Personen zu einer Wanderung losgezogen ist, weil alle über Nacht Durchfall bekommen haben. Glaubt mir, selbst wenn trotzdem bezahlt wird, es gibt schöneres, als direkt nach dem Aufstehen die Tagesplanung umstellen zu müssen, während weitere Anliegen per Sprachnachricht eintrudeln (wie viele Arbeitstage ich wohl damit beschäftigt wäre, wenn ich alle bearbeiten wollte?). Einem Kollegen wurde seitens eines Kunden anschaulich ein Autounfall geschildert, um eine Buchung zu stornieren. Der Kollege hat nicht schlecht gestaunt, als der Hund am selben Tag von einem Kollegen im Nachbarort fotografiert und in den sozialen Medien gezeigt wurde. Und zwar, weil der Autounfall gar nicht stattgefunden hat. Es war schlicht bequemer als zu sagen, dass man sich anderweitig entschieden hat. Eine befreundete Dogwalker-Kollegin hatte wiederholt auf allen Kanälen ihren Urlaub lange im Voraus angekündigt. Dennoch bekam sie eine Nachricht der Kategorie unter der Gürtellinie einer Kundin, die diese Info vergessen hatte. Hundefriseuren werden teils völlig verfilzte Tiere auf den Tisch gestellt. Berechnen sie den begründeten Mehraufwand, bekommen sie eine negative Bewertung statt Einsicht oder Dankbarkeit. Manchmal kommt es vor, dass Menschen wegen Krankheit Termine absagen, um Erstattung der Kursgebühr bitten und im direkten Anschluss beim Feiern, einem Ausflug oder Konzert gesehen werden. Klassischerweise werden genau solche Menschen – auf die AGB hingewiesen – am wahrscheinlichsten ungehalten.

Was für euch eine Ausnahme ist, ist für uns Alltag. Ich könnte täglich zig individuelle Absprachen zu meinen Ungunsten treffen, nur dann wäre ich vermutlich bald nicht mehr da. Ich behaupte, dass ich sehr kulant, großzügig und verständnisvoll bin, nur hat alles Grenzen. Wir wissen alle, das Angebot ist groß und Bedürfnisse ändern sich regelmäßig. Wir sind austauschbare Dienstleister, zumindest oberflächlich betrachtet. Natürlich unterscheiden wir uns voneinander, oft auch eklatant. Das bemerkt ihr spätestens, wenn ihr genauer hinschaut. Vielleicht überrascht es euch, umgekehrt ist es so: Eure Hunde und ihr, ihr seid für uns etwas Besonderes und ihr seid uns wichtig. Ich erinnere mich an jeden Hund und jeden Menschen, der bei mir im Training war. Von jedem bleibt etwas. Hinterlasst Ausrufe- statt Fragezeichen! Wer Lügen Ehrlichkeit vorzieht, weil er Angst vor Konflikten oder ein Problem damit hat, 20 Euro mehr pro Quartal auszugeben, weil eine Stunde versäumt wurde, der kann überlegen, ob er nicht mit einem weniger persönlichen, unverbindlichen Angebot besser aufgehoben ist. Es gibt welche, die man zurückgeben kann, wenn man nicht zufrieden ist, oder Zeit, Muße oder passendes Wetter zum Üben gefehlt haben.

Versteht nicht mich falsch, ich möchte nicht klagen, die meisten meiner Kunden und bestimmt auch die der Kollegen sind einsame Spitze. Wir werden verwöhnt, gelobt und beschenkt. Das vergessen wir natürlich nicht. Auch ist uns bewusst, dass auch in euren Jobs nicht immer alles rund läuft. Wir wünschen uns nur, möglichst fair behandelt zu werden, wie jeder andere Mensch auch. Und wenn wir mal zerknirscht sind, dann meist, weil uns Geschichten wie die erwähnten, kurzzeitig nachdenklich stimmen.

Danke an alle, die ehrlich sind und Nachrichten schicken wie: „Du, Nicole, ich hab gestern einen über den Durst getrunken, ich komme heute gar nicht klar. Tut mir leid, dass ich fehle. Die Stunde ziehst Du selbstverständlich von der Karte ab. Bis nächste Woche!“

PS: Heute war mir mal nach „Ohne Gendern“.